Solarwärme lässt Biogemüse sprießen

Demeterhof Keßler

Bildquelle: Winkler Solar GmbH

In der Bodensee-Region erzeugt seit Ende April eine 960 Quadratmeter große solarthermische Anlage Wärme für das Beheizen und Entfeuchten von neun Gewächshäusern auf einem Demeter-Hof. Es ist die größte Prozesswärme-Anlage Deutschlands. Eine hohe Förderung im Marktanreizprogramm macht solche Anlagen wirtschaftlich attraktiver denn je.

 

 

Ende April ist in Bohlingen am Bodensee eine der größten solarthermischen Anlagen Deutschlands in Betrieb gegangen. Auf dem Biodynamischen Gemüsehof von Thomas Keßler erzeugen nun 960 Quadratmeter Solarkollektoren Wärme für neun Gewächshäuser. Da sie jeden Tag beheizt werden müssen, kann die Solarwärme gut genutzt werden. Der Biobauer hatte schon länger mit dem Gedanken gespielt, auf Solarwärme umzusatteln. Den letzten Anstoß gaben die deutlich verbesserte Förderung für solare Prozesswärmeanlagen im Marktanreizprogramm (MAP) und das Zusammentreffen mit dem österreichischen Kollektorhersteller Martin Winkler. Er ist der Geschäftsführer der Winkler Solar GmbH, Hersteller von Hochleistungskollektoren für alle Einsatzbereiche und Mit-Initiator der Kampagne „Solarwärme für alle“. Winkler Solar lieferte die 48 Kollektoren für die auf dem Boden aufgeständerte Anlage zu.

 

Den Hof hat Thomas Keßler 1988 von seinem Vater übernommen, im Jahr 1990 erhielt er die Demeter-Anerkennung. Mit vier festen und zehn Saisonarbeitskräften bewirtschaftet er 30 Hektar Land. In den beheizbaren Folien- und Glas-Gewächshäusern wachsen auf 2.600 Quadratmetern Fläche 5.600 Gurkenpflanzen, auf weiteren 3.600 Quadratmetern 10.100 Tomatenpflanzen. Auf Freiflächen baut er noch Salate, Kartoffeln, Rote Beete und andere Gemüsesorten an – immer nach den strengen Demeter-Kriterien. Eine umweltschonende Landwirtschaft ist für den 56-Jährigen aber auch eine Herzensangelegenheit. So hat er beispielsweise seine Felder bis zum Jahr 2011 noch mit Pferden bestellt.

 

In den Gewächshäusern muss die Temperatur konstant bei 16/17°C liegen. Außerdem muss die Feuchtigkeit in den Abteilungen, wie Keßler sie nennt, reduziert werden, was ebenfalls mit Wärme geschieht. Für die Entfeuchtung wird die Luft mit geringen Temperaturen von circa 40°C aufgeheizt. So kann die warme Luft mit der Luftfeuchtigkeit über die Lüftungsklappen der Gewächshäuser entweichen, während gleichzeitig kühlere Luft in die Gewächshäuser strömt. Für das Beheizen und Entfeuchten benötigt Keßler rund 1.470 Megawattstunden Wärme im Jahr.

 

Einige Jahre hat er noch mit einer Ölheizung geheizt, aber sie dient heute nur noch als Reserveheizung. Denn 2004 hat Keßler eine Hackschnitzelheizung mit 300 Kilowatt Leistung einbauen lassen, 2007 kam noch eine Stückholzheizung mit 350 Kilowatt Leistung dazu. In diesem Kessel kann er auch Abfallholz verbrennen.

 

Doch selbst wenn sein Brennstoff zum größten Teil aus der Region stammt und die Verbrennung CO2-neutral ist, hatte Keßler schon länger das Gefühl, dass es noch eine umweltschonendere Heizungsart geben müsste. So kam er zur Solarthermie. „Ich sehe nicht ein, dass ich im Sommer Holz verbrenne, wenn die Sonne auch für Heizenergie sorgen kann.“

 

Hohe Förderung für Prozesswärmeanlagen

 

Der Entscheidung, nun tatsächlich eine Solarwärmeanlage zu bauen, fiel, als die Förderung für Prozesswärmeanlagen im Marktanreizprogramm (MAP) stark angehoben wurde. Als Prozesswärme wird die Heizenergie bezeichnet, die zum Be- und Verarbeiten in Herstell- und Verarbeitungsprozessen dient. Für diesen Anlagentyp werden 50 Prozent der gesamten Netto-Investitionssumme erstattet, das heißt, nicht nur der kompletten Materialkosten, sondern auch der Montagekosten. Zusammen mit regionalen Förderprogrammen kann die Förderung sogar noch höher sein.

 

Mit der Anlagenplanung beauftragte Keßler die Firma Großmann aus Friedrichshafen. Das Unternehmen hatte auch schon die Stückholzheizung bei ihm ausgelegt. Jetzt entwickelten die Planer folgendes Anlagenkonzept. Auf der Wiese neben den Gewächshäusern wurden auf 2.500 Quadratmetern Fläche 48 Hochleistungs-Kollektoren Winkler VarioSol A von Winkler Solar installiert. Keßler wollte eigentlich Vakuumröhrenkollektoren haben, aber Großmann überzeugte ihn wegen der höheren Hagelschlagsicherheit von Flachkollektoren. Die Entscheidung fiel dann auf die Hochleistungskollektoren Winkler VarioSol A-antireflex. Das sind die leistungsstärksten Kollektoren, die Winkler Solar im Programm hat. Im Mai lieferte die Solarwärmeanlage an einem sonnigen Tag etwa drei Megawattstunden Wärme. Nach Aussagen des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) ist es die größte Prozesswärmeanlage in Deutschland. Das BAFA wickelt die Förderung im Rahmen des Marktanreizprogramms ab.

 

Zu dem bestehenden Pufferspeicher mit 30.000 Liter Fassungsvermögen wurde ein zweiter 42.000 Liter-Speicher aufgestellt. Er wurde im Freien – gut isoliert und abgedeckt – platziert. Der Tagesspeicher heizt sich abends bis auf 80 Grad auf und muss morgens wieder aufgefüllt werden. Der alte Speicher wird aus den beiden Holzkesseln und je nach Bedarf zusätzlich mit Solarwärme gespeist. Der neue Speicher nimmt nur Wärme von den Solarkollektoren auf. Beide Tanks zusammen liefern Wärme für die Beheizung und Entfeuchtung an die Gewächshäuser, und sie beheizen die Sozialräume und die Wohnhäuser.

 

Bei der Montage stellte sich der Boden als Herausforderung dar. Da er sehr weich ist, musste das Montagesystem tiefer als üblich in den Boden gerammt werden. Anstatt etwa 1,20 Meter waren es hier 2,40 Meter. Die Unterkonstruktion wurde nach dem Muster von Photovoltaik-Gestellen speziell für diese Anlage gebaut.

 

Jürgen Großmann fällt noch eine andere Besonderheit ein: die Einbindung in das bestehende Wärmenetz und die Verteilung der Wärme. Er hat den schwankenden Temperaturbedarf berücksichtigt, der auf dem Hof anfällt. Dafür hat er an beiden Speichern drei Punkte bestimmt, an denen Wärme entnommen werden kann. Zum Entfeuchten der Gewächshäuser wird zum Beispiel 40 Grad warmes Wasser benötigt. „Das kriegt man solar schnell zusammen“, sagt Großmann. Dieses Wasser wird im unteren Bereich entnommen. 70 Grad heißes Wasser für die Beheizung der Gewächshäuser hingegen wird am höchsten Punkt des neuen Speichers oder aus dem bestehendem Speicher entnommen.

 

Die ersten Erfahrungen mit der Anlage seien sehr gut, sagt Keßler Mitte Juni. Er will jetzt einen dritten Speicher installieren lassen, damit er noch mehr Solarwärme nutzen kann. Ohne die sehr gute Förderung hätte er die Anlage aber nicht bauen können, räumt er ein. Im Moment sei es noch etwas teurer, eine Megawattstunde Wärme mit einer solarthermischen Anlage zu erzeugen, als es mit einer Hackschnitzelanlage der Fall wäre. Er geht jedoch davon aus, dass er bei dem zu erwartenden Anstieg der Holzpreise in drei bis vier Jahren „auf einem positiven Stand“ sein wird. „Ich habe jetzt etwas Teureres getan, aber ich habe es für die Umwelt getan“, sagt er. Immerhin ist er nicht umsonst Biolandwirt geworden. Und eines freut ihn jeden Tag aufs Neue: „Öl brennt bei uns nur noch im Traktor.“